Hans-Durner

Vita – Wie einer beim Abs in Latein auf Note 2 gekommen ist.
1945 nach der Entlassung vom RAD (Reichsarbeitsdienst) in Neumarkt-Köstendorf (nähe Mattsee in Salzburg) bin ich (sind wir paar Miesbacher) in der Heimat eingetroffen, Befehlsgemäß haben wir uns im Wehrmeldeamt zurück gemeldet, „zur sofortigen Einberufung in die Deutsche Wehrmacht!“ Man hat uns bei der Entlassung gesagt: „Eure Wehrpässe werden euch nachgesandt. (Wir wussten aber, dass die ganzen Papiere bei einem Fliegerangriff zerstört worden waren). Also sagten wir im Wehrmeldeamt: sie sollten uns nur mit Bleistift aufschreiben bis die Wehrpässe da sind.

Zugleich meldete ich mich zusammen mit einem anderen Miesbacher in der Oberschule (heute: Gymnasium) Miesbach  zum Schulbesuch an und ich musste dann täglich von Wallenburg (der Wohnung meiner Eltern) per Fahrrad in die Badstraße zur Schule. In der Klasse waren einige, die ich schon kannte aus meiner Voksschulzeit oder aus dem einen Jahr (3. Klasse) wo ich damals daheim wohnen musste. Die Lehrkräfte waren auch ausgesiebt: mit Aushilfen, pensionierten Lehrern und u. a. war unser Lateinlehrer ein pensionierter evangelischer Pfarrer, der von Tegernsee per Bus rüberfahren musste: Pfarrer Geißendörfer – wir nannten ihn „Goaße“. Um nicht täglich rüberfahren zu mussen, hielt der Goaße jeweils 2 Lateinstunden hintereinander.

Oberrealschule – am Platz der heutigen Realschule

Eines Tages war er nach einer Stunde ziemlich ermüdet und pausierte um frische Luft zu schnappen. Wir hatten den Auftrag uns inzwischen anständig zu benehmen, vor allem nicht laut zu werden. Wir sind also sitzen geblieben und haben uns unterhalten – es waren nur 5-10 Minuten, dann ist der Goaße wieder gekommen, beim Platznehmen hat er den Stuhl etwas gerutscht. Ein Knall, Rauch ist von den Stuhlfüßen aufgestiegen und der Goaße war käsweiß geworden, zunächst hat er nur geatmet und dann sofort der Satz: „Wer war das, wer hat die Bombe gezündet? Wer war das, wer hat die Bombe gezündet?“ Sein Blick ging prüfend durch die Reihen, aber eisige Stille. Keiner von uns rührte sich. Die Frage kam wiederholt, mehrmals, immer drohender – „Der soll sich melden, bevor ich ihn nenne! Ich hole jetzt den Herrn Oberstudiendirektor, ich muss das melden!“ Der Goaße verschwand, wir waren alle total überfragt, jeder überlegte… Dann kommen sie, der Direktor ergreift sofort das Wort: „Wenn sich der Übeltäter nicht sofort meldet, sage ich es ihm auf den Kopf zu!“ – Bei uns eisige Stille. „Gut, dann muss ich es sagen: „Köglmeier, waren Sie es?! Sie wissen auch nicht wer es war?“ – „Nein, Herr Direktor!“ Nächste Frage: „Durner, waren Sie es?“ „Nein, Herr Direktor!“ „Sie wissen auch nicht, wer es war?“ – „Nein, Herr Direktor, ich habe keine Ahnung!“ Der Direktor fragte keinen anderen mehr. Auf den Kopf zusagen ohne Erfolg. „Wir haben noch andere Möglichkeiten drauf zu kommen.“ – Die ganze Klasse bekommt zunächst eine Strafe zum Weichwerden! Er war weg! Im Laufe der Wochen sind wir auf den Grund gekommen: Wir Schüler waren echt unschuldig, aber die Klasse über uns. Die war es, sind aber nicht gefragt oder geprüft worden. Der Vorfall: Die Klasse hatte den Auftrag, das Lehrerzimmer mit Stühlen aus den Klassenzimmern auszurüsten. Um die Lehrerkonferenz etwas aufzulockern hat einer, der sich
in Chemie gut auskannte, die Stuhlfüße fürs Lehrerzimmer mit Kaliumpermanganat und noch einem Pulver bestrichen und gehofft, dass die Lehrer nicht immer still sitzen und ein wenig „Stühlerücken“. Das scheint nicht losgegangen zu sein, erst dann in unsrer 2. Lateinstunde. Wir haben es erleiden müssen. Der Goaße hat am Anfang jeder Lateinstunde mich und den Köglmeier Walter nach der Hausaufgabe ausgefragt, anscheinend hat er uns immer noch für seine Übeltäter gehalten. Als Kriegsteilnehmer waren wir in seinen Augen die Einzigen, die mit Krachmunition umgehen konnten. Wir Beide haben sehr bald gemerkt, dass er uns dressieren möchte und haben halt immer unsre Hausaufgabe ernst genommen. Ich habe nach dem Krieg wieder die Oberrealschule Traunstein besucht und war halt in Latein gut. Ich hab’s dem Goaße und dem echten Missetäter zu verdanken.
(Hans Durner, Deutelhausen – Bearbeitet von Großneffe Benedikt Wagner, Irschenberg)