Der Landwirt Christian Gschwendtner hat das Kriegende in seinen Heimartort Draxlham (bei Osterwarngau) so erlebt:

Diese Beschreibung stammt aus dem Buch: „Ein alter Bauer erzählt aus seinem Leben“, Christl Gschwendtner, Eigendruck im Selbstverlag, 1982. Einzelne Exemplare gibt es noch in Internet-Antiquariaten. Der Enkel des Autors hat uns freundlicherweise die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Passage über das Kriegsende gegeben. Vielen Dank dafür!

Obwohl der Autor eine gestochene Handschrift hatte, ist es vielleicht doch komfortabler, den abgetippten Text zu lesen:


Ende des zweiten Weltkrieges

Im April 1945 konnte man schon das Ende des schrecklichen Krieges ahnen. Ein großer Teil des Großdeutschen Reiches war schon von feindlichen Truppen besetzt und es kann nur noch ein paar Wochen dauern, dann muss Deutschland kapitulieren.

Befehl: zum Volkssturm!
Da kam der Befehl: Alle Volkssturm Männer – ich war auch dabei – müssen nach Schliersee zu einem Panzerbekämpfungskurs. So ein Blödsinn! Jetzt kurz vor Kriegsschluss noch einen Panzerbekämpfungskurs. Mit dem Fahrrad fuhr ich nach Schliersee, weil täglich nur noch ein Zug verkehrte und von diesem wollte ich unabhängig sein. Ungefähr 50 Mann, meistens ältere Jahrgänge kamen zusammen. Da mussten wir lernen, wie man mit Panzerfäusten umgeht, müssten uns hinter Hecken oder Häuser verstecken und vorbeifahrende Fahrzeuge anspringen und Haftladungen anbringen. Abends hielt ein kriegsversehrter SS-Offizier Vorträge. Hauptthema: „Widerstand bis zum letzten Blutstropfen“. „Wenn einer unter euch sein sollte, der Kapitulations-Gedanken hat, der soll sich vor den Spiegel stellen und soll sich selber ins Gesicht spucken, der Hundsfott, der elendige!“ Nach drei Tagen durften wir wieder heim. Wie gut, dass ich das Rad dabei hatte. Es fuhr kein Zug mehr.

Der Bauernhof voller Soldaten
Als ich heim kam war der ganze Hofraum voller Militärfahrzeuge und das Haus und die Tenne mit Soldaten und Offizieren belegt. Sie hatten auch eine Feldküche dabei und in der Wohnstube war ein Verpflegungslager. Der Speicher war voll mit Tornistern, Gepäck und Bekleidung der Soldaten. Die feindlichen Truppen kamen immer näher. München ist schon besetzt und morgen werden wahrscheinlich die Amis kommen. Am Nachmittag luden die Soldaten alle Lebensmittel, die in der Stube gelagert waren, auf einen Lkw und verließen das Dorf. Nur eine Abteilung von 20 Mann von der Luftwaffe und ein Offizier blieben.

Die SS bringt ein Geschütz in Stellung
Am Abend mache ich noch einen Rundgang durchs Dorf. Da bemerke ich, wie beim ersten Haus hinter einer Hollerstaude ein SS-Trupp ein Geschütz in Stellung bringt. Ich rede den Sturmbannführer an: „Was wollt ihr denn mit dem Geschütz hier?“ „ Die Ortschaft verteidigen“. „Das hat doch keinen Sinn. Ihr könnt doch die Amerikaner nicht mehr aufhalten, ihr seid schuld wenn die ganze Ortschaft zusammengeschlossen wird.“ „Das verstehen Sie als Bauer nicht, das ist unsere Sache und wir tun unsere Pflicht bis zum Letzten.“ Alles gute Zureden half nichts. Die meisten waren junge Burschen, mehr Kinder als Männer, die wären gleich mit mir gegangen als ich sie zum Essen einlud. Der Sturmbannführer aber drohte: „Wer hier weggeht, wird erschossen.“ Nun ging ich wieder heim und berichtete dem Luftwaffen Offizier, was die SS vorhabe.

Essen für die SS-Leute
Ich bat ihn, er soll doch er mit den Leuten reden, auf einen Offizier hören Sie doch eher. Er ging mit ein paar Mann zu den Verteidigern und brachte sie nach einiger Zeit mit in unser Haus. Es war noch etwas vom Verpflegungslager da, damit bereitete Ihnen meine Frau was zu essen und die jungen Burschen legten sich gleich darauf ins Heu, der Führer aber blieb noch lange sitzen, barg den Kopf in beide Hände und sprach kein Wort. Gegen 10:00 Uhr Abends verließ er die Küche und niemand wusste wohin er ging.

Ein Fanatiker sprengt die Weyarner Mangfallbrücke
Am nächsten Tag, am 3. Mai kamen die Amerikaner. Um alles gut beobachten zu können, ging ich zum ersten Haus. Vom Balkon aus konnte man die Gegend gut überschauen und – da war auch der Sturmbannführer von gestern da. „Schau, da kommen die ersten Panzer vom Osterwarngau. Hau bloß ab, sonst legen dich die Ami um. Die mögen keine SS!“ Während ich heim laufe, dass ich da bin, wenn die Ami kommen, höre ich von Ferne eine gewaltige Explosion und in Richtung Darching steigt eine dunkle Rauchwolke auf. Am nächsten Tag erfährt man: Gestern hat so ein wahnsinniger Fanatiker die Mangfall-Brücke gesprengt. Als ich heimgekommen bin, waren die Soldaten von der Luftwaffe in der Stube und Küche versammelt. Alle in Zivil und viele in Hausschuhen und Pullover.

Amerikaner im Dorf – Stadel brennt ab
Jetzt fahren die ersten Panzer beim Dorf herein Aber schon beim ersten Haus, wo ich eben war, werden sie mit einer MG Salve aus dem Stadel empfangen. Sofort eröffnen zwei Panzer das Feuer auf den Stadel, welcher gleich zu brennen anfängt und in einem Strohstock reiche Nahrung für das Feuer fand. Schnell laufe ich um Standrohr und Schläuche für den Hydranten und nehme noch einen Nachbarn mit. Ich glaube, 10 Minuten nach dem ersten Schuss waren wir schon mit dem Wasser da. Aber der Strohstock stand schon in hellen Flammen, welche bereits über das Dach hinaus schlugen. Von dem Stadel konnten wir nichts mehr retten, trockenes Stroh brennt sehr schnell und verbreitet eine unheimliche Hitze, aber das angebaute hölzerne Wohnhaus konnten wir zu zweit unversehrt vor dem Feuer bewahren. Offenbar hatte der SS-Mann vom Stadel heraus geschossen, aber wo er hingekommen ist, bleibt mir ein Rätsel. Beim Aufräumen der Brandstelle haben wir keine Knochen oder andere Überreste gefunden, nur ein verschmortes MG. Vielleicht ist er doch bei dem in entstandenen Tumulte entkommen.

Gefangenschaft für die deutschen Soldaten
Während ich beim Löschen war, hatten die Amis alle Mannen, sowie Sie waren mit Hausschuhen und Pullovern auf Lastwagen befohlen und ab ging’s in Gefangenschaft. Es wurde Ihnen nicht erlaubt, noch Mäntel und Stiefel vom Speicher zu holen. So mussten sie bei Schneetreiben und einer Saukälte noch jämmerlich frieren.

Opfer und Sieger
So traurig endete das 1000-jährige Reich im 13. Jahr seines Bestehens am 3. Mai 1945. Wir waren relativ gut weggekommen. Es gab keine Toten, außer einer Frau in Einhaus, die von einem Schwarzen vergewaltigt und erwürgt wurde. Einige Zeit vorher wurde ein Knecht in Lochham von einem Tiefflieger beim Traktorfahren erschossen. In den ersten Wochen nach Kriegsende kamen immer wieder Soldaten, hauptsächlich schwarze, und durchsuchten das ganze Haus vom Keller bis zum Dachboden. Am begehrtesten waren Schnaps, Uhren und Schmuck. Man konnte öfters Schwarze sehen mit drei, vier Uhren am Arm.