Die Stadt Miesbach hat zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys am Waitzinger Keller eine Eiche gepflanzt und einen Basaltstein gesetzt. Lobenswert!
Der Miesbacher Merkur hat → darüber berichtet:
Die Bäume als Symbole geistern schon lange durch die Kunstwelt,
spätestens seit Bert Brechts „Gedicht an die Nachgeborenen“ (veröffentlicht 1939) mit dem bemerkenswerten Satz:
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
https://www.lyrikline.org/de/gedichte/die-nachgeborenen-740
(mit Audiodatei, gesprochen von Bert Brecht)
In den 60-er und 70-er Jahren wurde in der Literaturwelt darüber heftig diskutiert, auch im Hinblick auf die Entlaubungsaktionen während des Vietnamkrieges.
Auch Joseph Beuys fühlte sich angesprochen und führte mehrere öffentliche Gesprächsrunden mit den Titel: –> Gespräche über Bäume.
Dann kam die –> 7000-Eichen-Aktion in Kassel.
„Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung, eine Soziale Plastik „:
Beuys sah die 7000 Eichen als „Rückbesinnung zur alten Organisationsstruktur.“ Durchgehende Baumstreifen wurden in dieser Zeit in vielen Städten abgeholzt, um Straßen- und Gehwegverbreiterungen zu ermöglichen. Nun sollen die Bäume diesen Platz wieder einnehmen.
Beuys betrachtete Bäume als wesenhafte Subjekte, denen die Rechte fehlen:
„Sie sind entrechtet. Sie wissen das ganz genau, dass sie entrechtet sind. Tiere, Bäume, alles ist entrechtet. Ich möchte diese Bäume und diese Tiere rechtsfähig machen.“
Und er sagte:
„Wenn ich mich an dieser documenta beteiligen soll, werde ich mich mit solch einer Kunstform beteiligen,
– dass ich in den vergangenen Aktionen der dokumenta nicht nur eine Theorie vertreten habe in Bezug auf die Beziehung Natur – Mensch, sondern
– dass ich auch bereit bin, das zu demonstrieren, –
– dass ich es durchführen werde und zur Ausführung bringe.“
Zitat aus dem Video: https://www.youtube.com/watch?v=HE87qEUtApI (Min. 05:22-05:54)
Zwischen der documenta 7 (1982) und der documenta 8 (1987) wurden die Eichen gepflanzt.
Es war eine der teuersten Kunst-Aktionen dieser Zeit (4,3 Millionen Mark). Beuys erlebte das Ende seiner Pflanzaktion nicht mehr, er starb am 23. Januar 1986.
In München steht seine Installation „Zeige deine Wunde“. Die Stadt München hat sie für die Städtische Galerie im Lenbachhaus gekauft.
Der Ankauf hat zu gehörigem Streit mit den Konservativen im Stadtrat geführt. Deren Argumente:
- 270.000 Mark,
- „teuerster Sperrmüll aller Zeiten“,
- „es besteht aus alten Leichenbahren und Fett!“.
Trotzdem – es ist ein bemerkenswertes Werk – sehenswert.
Der Titel der Installation hat mich an die Geschichte vom „ungläubigen“ Thomas erinnert, die in den katholischen Kirchen erst kürzlich, am 11. April, gelesen wurde.
Thomas sagt:
„Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“
(Joh 20,25)
Dazu habe ich bei einem Gottesdienst in der Parsberger Kirche kommentiert (2005):
„Da ist einer, der muss nicht unbedingt stark sein. Er wagt es, seine Verwundungen zu zeigen. Er steht zu seinem Leiden: Jesus.
Und da ist ein anderer, der angerührt ist von diesem Leiden und der seine Hand darauf legt.
Thomas.“
Das ist es: Wer es über’s Herz bringt, seine Wunde zu zeigen, hilft sich selbst und anderen.
Ich habe etwas gezögert, diese Gedanken hier darzustellen. Bestärkt hat mich darin allerdings die Website www.lenbachhaus.de
Aber es gibt auch lustigere Begebenheiten rund um Werke von Joseph Beuys.
Zum Beispiel die –> Story mit der Kinderbadewanne:
Für eine Ausstellung ging das Werk „Badewanne“ von Joseph Beuys nach Leverkusen und wurde dort eingelagert, da die Ausstellung noch aufgebaut werden sollte.
Der SPD-Ortsverein Leverkusen-Alkenrath feierte am 3. November 1973 in diesem Museum ein Fest. Zwei Teilnehmerinnen suchten eine Schüssel zum Gläserspülen und entdeckten in einem Abstellraum die mit Heftpflaster und Mullbinden verschmutzte Badewanne. „Wir dachten, das alte Ding könnten wir schön sauber machen und benutzen, um darin unsere Gläser zu spülen“, erinnern sie sich, „so wie die aussah, konnten wir sie nicht gebrauchen. Deshalb haben wir die Wanne geschrubbt.“
Letztenendes waren allerdings 58.000 Mark Schadenersatz fällig. Die Wanne steht heute im Lenbachhaus in München.
Aus Copyright-Gründen gibt hier es nur einen –> Link zur „Echten Badewanne“.
Joseph Beuys war immer auch ein politisch denkender Mensch. Er nahm an der bisher größten Friedensdemonstration 1982 in Bonn teil
(–> hier zusammen mit Gert Bastian und Lukas Beckmann von den Grünen)
Diese Demonstration richtete sich in erster Linie gegen die Nachrüstungspolitik des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan.
Aus diesem Anlass nahm Beuys sogar an der „Neuen deutschen Welle“ teil und produzierte das Lied
–> „Sonne statt Reagan„. Er muss auch Humor gehabt haben. Hier ist der –-> Text dazu.
Beuys war Mitglied der grünen Partei von deren Gründung 1979 bis zu seinem Tod 1986.
Allerdings war er – wie bei einem Künstler seines Formats nicht anders zu erwarten- kein enger Parteigänger, was auch an seiner engen Zusammenarbeit mit dem SPD-Mitglied –> Klaus Staeck deutlich wird.
An all das kann man sich erinnern, wenn man in Zukunft an der Eiche samt Basaltstele an der Ecke des Waitzinger Kellers vorbeigeht.
Miesbach hatte in Rudolf Pikola und Hans Schubeck schon einmal Bürgermeister mit einer großen geistigen Weite.
Die Erinnerung an Joseph Beuys weckt Hoffnung auf ein weltoffenes und zukunftsorientiertes Miesbach!