Redebeitrag von Hermann Kraus

 

1 Eine Welt ohne Waffen! Das ginge schon …

Was wir wollen, ist: „Frieden schaffen ohne Waffen“.
Im nationalen Bereich haben wir das tatsächlich geschafft. Wir haben das Waffenmonopol bei der Polizei. Ganz im Gegensatz zur USA, wo es mehr Waffen in Privathand gibt als Einwohner. (–> Statista.com) Wenn es gelingt, ein überstaatliches Militär-Monopol bei der UNO zu installieren, bräuchte die Weltorganisation zur Kontrolle nur wenige militärische Waffen. Die Aufrüstungs-Spirale wäre gestoppt.
Aber heute, nach den ersten Wochen des Ukraine-Krieges, stehen wir ganz wo anders.

2 Zurück in der Realität …

Bundespräsident Steinmeier hat kürzlich gesagt:

„Meine Einschätzung war, dass Wladimir Putin nicht den kompletten wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt.“

(–> Interview im Wortlaut )
Ja, „Grüß Gott!“ wir sind alle wieder in der Realität angekommen:
In der alten Ost-West-Auseinandersetzung der 1980-er Jahre. Ich beschäftige mich hier ausdrücklich nicht mit der Frage, ob wir schon bald schwere Waffen in die Ukraine liefern sollen, sondern mit der Rüstungsentwicklung in den nächsten Jahren. Denn: Der Kanzler will schon 100 Mrd.in die Rüstung pumpen. (–> Website Verteidigungsministerium ) Was sollen wir tun? Das können wir nun schlicht ablehnen – aber niemand wird uns zuhören.
Oder aber: Wir stellen sinnvolle militärische Forderungen, die zwingend zur Abrüstung führen. Dazu müssen wir aber in die „Niederungen der Militärpolitik“ hinabsteigen.

3 Die Denkweise der Militärpolitik

Militärpolitik ist ein Politikbereich wie andere auch, wie Außenpolitik,Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik. Aber Militärpolitik hat eigene Gesetzmäßigkeiten. Sie fragt sich nicht, welche Absichten andere Staaten, Staatengruppen oder sonstige militärisch Gruppen haben, sondern sie fragt sich, welche militärischen Möglichkeiten diese haben.

4 Verteidigung mit Angriffswaffen?

Wenn eine Seite behauptet, nur Verteidigung betreiben zu wollen, nützt das erst mal gar nichts. Das ist – militärpolitisch gedacht – erst dann glaubwürdig, wenn der „Verteidiger“ tatsächlich keine Waffensysteme mehr hat, mit denen er einen Angriff führen könnte. (–> Vertrauensbildende Verteidigung) Z.B. keine Panzer, keine Bombenflugzeuge, keine Mittel- und Langstreckenraketen etc. Lufteinsatzmittel nur mit kurzer Reichweite.

5 Atomwaffen

Und natürlich auch keine Atomwaffen.
Die Stationierung der Atomsprengköpfe im deutschen Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel muss dringend beendet werden. (–> Atomwaffen in Büchel) Auch die im Koalitionsvertrag erwähnte „nukleare Teilhabe“ Deutschlands muss aufhören!
Deutschland muss deshalb dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten. Dieser Vertrag wurde von der „Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“ (ICAN) (–> Vertragstext) vor 5 Jahren auf den Weg gebracht. Die ICAN-Kampagne erhielt dafür den Friedens-Nobelpreis 2017.
Kein NATO-Staat ist mit von der Partie. Deutschland muss mit den NATO-Partnern Verhandlungen darüber aufnehmen. (–> Koalitionsvertrag lässt Spielraum ) Die Atomwaffen müssen weg! Aus Deutschland und überall auf der Welt! Dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten!

6 Konventionelle Angriffswaffen

Kommen wir zu den konventionellen Waffen. Wenn wir keine Angriffswaffen mehr haben, keine Panzer, keine Langstreckenbomber, keine Jagdflugzeuge, dann besteht für einen Gegner keine Notwendigkeit mehr, diese Waffenklasse zu seiner Verteidigung vorzuhalten. Die Rüstungsspirale wäre durchbrochen. (–> Lutz: „Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit“) Rationales Handeln beim Gegner hieße, diese Waffenklasse ebenso abzurüsten, um mehr Geld für die eigene Wirtschaftskraft und die eigene Bevölkerung zu haben. Das müsste für das ohnehin wirtschaftsschwache Russland einen Anreiz darstellen.

7 Eigene Sicherheit gewährleisten

Allerdings ist es erforderlich, für unsere eigene Sicherheit im Angriffsfall zu sorgen, solange der Gegner Angriffswaffen besitzt. Dazu kann man auf Konzepte zurückgreifen, die im „Kalten Krieg“ der 1980-er Jahre erarbeitet wurden, unter dem Stichwort „Defensive Verteidigung“. So etwas funktioniert heute noch besser als vor 40 Jahren, weil mit immer höherer Technifizierung und Komplizierung der Waffensysteme ein starker Vorteil für den Verteidiger entsteht.
Das ist momentan auch in der Ukraine sichtbar. Der 30 km lange Militärkonvoi, den die Russen Richtung Kiew geschickt haben, ist längst erledigt. Einige wenige flexibel operierende Gruppen mit präzisen Kleinraketen haben das bewirkt.
Die Idee der „Defensiven Verteidigung“ ist, über einen Streifen von mehreren 100 km Breite ein Raumnetz von kleinen Kommandos mit kleinen Raketen einer Reichweite von 30 – 80 km aufzubauen. Ein solches Netz würde keine aus der Luft erkennbaren Ziele bilden und wäre in der Lage, auch feindliche Panzer, die in Stoßkeilen angreifen, schon kurz nach der Grenze zu stoppen und zu zerstören. (–> Wikipedia: Raumverteidigung )
Bei der Flugabwehr gibt es kleine Systeme, die auch die Technik des „Schießen-und-verschwinden“ („shoot-and-scoot“) können. Die Bundeswehr müsste mit der „Defensiven Verteidigung“ halt einfach einmal anfangen.
So wird die Zivilbevölkerung besser geschützt als mit den angriffsfähigen Großeinheiten.

8 Politische Durchsetzbarkeit

Wir waren schon einmal weiter. Bei ihrem Nürnberger Parteitag 1986 hat die SPD die Abschaffung aller Angriffswaffen gefordert. (–> Nürnberger Beschlüsse )

Und im Grundgesetz, Art. 26, steht:
(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

Tun wir einen ersten Schritt: Schaffen wir die Angriffswaffen ab!